Nach dem Abitur nach Mexiko? – Erfahrungsbericht von Lea Bergs

Unsere Ehemalige Lea Bergs ging nach der Abitur mit der Organisation Weltwärts nach Mexiko. Ihren Zwischenbericht hat sie uns zur Verfügung gestellt:

Ein neues Jahr ist angebrochen und mal wieder bin ich an einem Punkt angelangt, an dem ich realisiere, wie schnell die Zeit vergeht und es kaum glauben kann, dass ich schon knapp drei Monate hier in Oaxaca de Juárez, Mexiko lebe. Was für eine Achterbahnfahrt der Gefühle wenn ich mich an die letzte Zeit zurückerinnere…

Vor meinem Aufenthalt hier in Mexiko war mein Freiwilligendienst mit sehr viel Ungewissheit verbunden. Ein unsicheres Gefühl darüber, ob eine Ausreise in dem Jahr trotz der Corona-Pandemie überhaupt stattfinden könne, machte sich in mir breit. Normalerweise beginnt der Freiwilligendienst schon im August, doch da für Mexiko zeitweise eine Reisewarnung vom Auswärtigen Amt ausgeschrieben war, was eine Ausreise im August unmöglich machte, hieß es für uns erstmal: warten, warten und warten und darauf hoffen, dass das Land möglichst schnell freigegeben wird und wir endlich unseren Freiwilligendienst an diesem so fernen und fremden Ort beginnen können. Als es im Oktober dann so weit war und wir in den Flieger stiegen, konnte ich es kaum realisieren- hinter einem Gefühl von Vorfreude und Fernweh verbarg sich auch ein Gefühl von Aufregung und Verunsicherung, da es für mich das erste Mal war, so weit von zu Hause weg zu sein und dann auch noch für eine gefühlte Ewigkeit.

Nach einer knapp 30 stündigen Reise sind wir dann endlich in Oaxaca angekommen. Und obwohl mich die Reiseübelkeit erwischt hatte und ich absolut erschöpft in meinem „neuen Zuhause“ angekommen bin, habe ich mich bereits am ersten Tag in die bunte Stadt, umgeben von Bergen, verliebt und wurde super nett von meiner „Gastmutter“ aufgenommen. Gemeinsam mit einer anderen Mitfreiwilligen vom Welthaus Bielefeld lebe ich in einem kleinen Haus einer Mexikanerin namens Aurora. Wie sie uns, habe auch ich sie sofort in mein Herz geschlossen und bin ihr sehr dankbar dafür, dass sie uns von Beginn an an die Traditionen und Bräuche von Mexiko herangeführt und uns sehr dabei geholfen hat sich hier schnell zurechtzufinden.

Meine ersten Eindrücke
Ich habe mich vom ersten Tag an total wohl gefühlt in Oaxaca de Juárez. Die Häuser sind außergewöhnlich bunt, an den Straßen wachsen Palmen oder andere exotische Pflanzen, das historische Zentrum mit dem Santo Domingo und dem Zócalo sowie netten Cafés haben mich sofort in ihren Bann gezogen, die Märkte machen die Straßen lebendig, es ist warm, und die Berge, welche die gesamte Stadt umgeben, vermitteln ein Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit. Doch trotz all dieser positiven Eindrücke, gab es auch Dinge, die mich geschockt oder verwundert haben, weil ich sie nicht aus meinem „gewohnten Umfeld“ aus Deutschland kenne. Zum einen ist da der Müll: es gibt kaum öffentliche Mülleimer, weshalb der Müll nicht selten auf der Straße landet und sowohl Mülltrennung als auch ein vernünftiges Recyclingsystem gibt es hier nicht. Dazu kommt, dass die Mitarbeiter*innen des öffentlichen Mülldienstes sehr schlecht bezahlt werden, was sie mit Streiks und Straßenblockaden quittieren.

Dies ist auch ein weiteres unangenehmes Thema: Armut und unfaire Löhne. Wenn man durch die Stadt läuft, merkt man schnell wie gegensätzlich und kontrastreich Vieles eigentlich ist. So stehen nicht weit von großen, modernen, mit Toren und Zäunen abgesperrten Häusern, einfache, kleine, nicht isolierte Blechhütten. Auf den Straßen sieht man abgemagerte Straßenhunde herumirren und Kinder, teilweise im Alter von 10 Jahren oder sogar noch jünger, versuchen auf den Straßen Schmuck oder Süßigkeiten, aber auch Drogen wie beispielsweise Zigaretten für mir sehr günstig erscheinende Preise zu verkaufen. Ich merke schnell, dass Kinderarbeit nichts Ungewöhnliches ist und dass insbesondere in der aktuellen Zeit der Pandemie, welche für einen starken Armutsanstieg gesorgt hat, viele Kinder ihren Eltern aushelfen müssen, um sich und die Familie versorgen zu können.

Aus meinem mexikanischen Umfeld bekomme ich zudem immer häufiger mit, wie Frauen und Mädchen Opfer von Gewalt werden, sowohl verbal als auch physisch und dies leider oft in familiären Kontexten geschieht. Mir wird bewusst, dass die stereotypischen Rollenbilder noch stark vertreten und patriarchale sowie konservative Strukturen in vielen Teilen der Gesellschaft stets tief verankert und internalisiert sind.

Auf der anderen Seite stelle ich aber auch fest, dass Oaxaca de Juárez politisch sehr aufgeladen ist und dass es seitens verschiedener Frauen- und Menschenrechtsorganisationen immer mehr Gegenbewegungen gegen jegliche Form von Diskriminierung, Rassismus und Sexismus gibt. Immer mehr Menschen gehen hier für Toleranz und Solidarität auf die Straßen und auch wenn dies hin und wieder zu nervigen Straßenblockierungen in der Stadt führt, denke ich, dass es genau das Richtige und absolut wichtig ist auf diese Weise ein Zeichen zu setzen.

Meine ersten Eindrücke wurden zudem auch durch das ausgesprochen leckere Essen geprägt. Am Anfang war ich etwas überrascht, dass wirklich alles mit Tortilla gegessen wird und dass bei keinem Gericht
Chili und Limón oder die pikante Salsa fehlen darf. An jeder Ecke gibt es Straßenstände, an denen alle möglichen Formen und Arten von Tortillas verkauft werden: Quesadillas, Tlayudas, Memelitas, Enfrijoladas oder Tacos sind nur einige wenige Beispiele unter ihnen. Gerade Oaxaca ist für sein gutes, leckeres und traditionelles Essen insbesondere durch seinen Quesillo, die Chapulines (Heuschrecken) oder den lokal hergestellten Mezcal landesweit bekannt. Auch wenn ich als Veganerin viele traditionelle Gerichte nicht esse (hier wird sehr, sehr viel Fleisch konsumiert) und ich am Anfang vieles schon fast zu scharf fand, liebe ich das Essen mittlerweile wirklich sehr und weiß jetzt schon, dass ich die Aguas frescas (Fruchtwasser) und den Tejate (spezielles oaxaquenisches Maisgetränk mit Kakao) wenn ich wieder in Deutschland bin sehr vermissen werde. Auch das riesige Angebot an lokalem, frischem Gemüse und exotischem Obst, macht das vegan leben dann zum Glück doch nicht so schwer.

Arbeit
Ich arbeite in Lomas de San Jacinto, einem eher marginalisierten und armen Stadtviertel von Oaxaca de Juárez und bin dort in einer „Asociación Civil“ (NGO) namens Calpulli tätig. Bei meinem Projekt handelt es sich um ein Kultur- und Bildungszentrum für Kinder und Jugendliche aus der Region. Calpulli bietet Kindern der Grundschule eine Nachmittagsbetreuung an (Curso de apoyo), wo ihnen bei Hausaufgaben oder Lernschwierigkeiten geholfen wird. Außerdem gibt es seit einigen Jahren auch eine Vorschule, bestehend aus dem Segundo und Tercer Nivel, wo Kinder im Alter von vier bis fünf Jahren vormittags betreut werden.

Des Weiteren besitzt Calpulli eine Bibliothek, in der die Familien aus der Umgebung Bücher ausleihen können, sowie einen Computerraum, der üblicherweise für Computerkurse für Kinder genutzt wird. Ebenso wird eine Tanz AG angeboten, durch die Kinder und Jugendliche die Möglichkeit erhalten, traditionelle Tänze verschiedener indigener Gemeinden zu erlernen um sie so ein Stück weit an die oaxaquenische Kultur heranzuführen. Auch ist das Zentrum Calpulli der Treffpunkt für CONNAD (Comité de Niñas, Niños y Adolescentes por sus Derechos), eine Gruppe aus Jugendlichen, die sich mit der Thematik der Menschen- und insbesondere Kinderrechte auseinandersetzt. Das Komitee, welches zur Zeit aus fünf Jugendlichen im Alter von 15-17 besteht, hat sich als Ziel gesetzt sowohl sich selber besser über die sozialen Problematiken und die Menschenrechtslage in Lomas de San Jacinto zu informieren, diese Inhalte aber auch an Andere und an die Öffentlichkeit zu tragen.

In meiner ersten Arbeitswoche hat sich das Team viel Zeit genommen, um uns Freiwillige (meine Mitbewohnerin Greta und mich) besser kennenzulernen, uns die verschiedenen Arbeitsbereiche Calpullis zu zeigen und uns langsam aber gewissenhaft einzuarbeiten. Felipe, welcher Calpulli vor mehr als 26 Jahren mitgegründet hat, erzählte uns zudem viel über die Geschichte dieser Institution: von ihren Anfängen, wie sie sich über die Zeit entwickelt hat und vor allem was ihre Ziele und Absichten sind. Das Arbeitsteam, welches aus neun Mitarbeiter*innen (plus uns zwei Freiwilligen) besteht, hat uns super herzlich aufgenommen und mittlerweile fühlt es sich mit ihnen schon fast an wie in einer großen Familie. Ich verstehe mich sehr gut mit Allen und auch wenn alles bis aufs kleinste Detail bei unseren täglichen Sitzungen nach dem Mittagessen ausdiskutiert wird, gefällt mir, dass wirklich alles(!) kollektiv entschieden wird und bei jedem Vorschlag, jeder Idee oder Anregung erstmal demokratisch im Team darüber abgestimmt und seine
Meinung geäußert wird. Hier wird jede Stimme geschätzt und ernstgenommen und alle mit sehr viel Respekt behandelt. Ich liebe dieses Arbeitsklima und insbesondere durch die „autocuidados“ mit dem Arbeitsteam, welche wir einmal im Monat realisieren, (wobei es sich um gemeinsame Aktivitäten, wie Karaoke singen, Volleyball spielen oder Ausflüge machen, handelt,) mit dem Ziel unseren Teamgeist zu stärken, merke ich wie wir uns immer besser kennenlernen und meine Kolleg*innen mir mehr und mehr ans Herz wachsen.

Ich selber arbeite gemeinsam mit meiner Mitbewohnerin/ Mitfreiwilligen im Bereich der Vorschule. Während meine Mitfreiwillige die vierjährigen Kinder begleitet, unterstütze ich Maestra Noelia bei der Gruppe der Fünfjährigen. Bei Calpulli legen wir sehr viel Wert darauf die Kinder mit Würde und Wertschätzung zu behandeln und sie als eigenständige Individuen anzusehen. Calpulli distanziert sich bewusst von der „üblichen“ Unterrichtsform, wie sie an öffentlichen (von der Regierung abhängigen) Schulen gehandhabt wird und bietet stattdessen eine alternative Edukation an, in der das Kind im Zentrum steht und nach seinen Bedürfnissen und Wünschen gehandelt wird. (Ähnlich wie bei den Waldorfschulen in Deutschland).

Ziel der Vorschule ist, den Kindern alltägliche, fürs Leben wichtige Inhalte auf spielerische und kreative Art und Weise zu vermitteln, ihnen aber gleichzeitig auch einen Raum zu schaffen, in dem sie frei ihre Gefühle und Gedanken ausdrücken und gemeinsam mit anderen Kindern spielen und sich austauschen können. Wir versuchen den Kindern Eigenständigkeit beizubringen und sie neben grundlegenden Dingen, wie das Beibringen von Zahlen oder Buchstaben als Vorbereitung für die Grundschule, auch über wichtige Themen, wie z.B. eine gesunde, ausgewogene Ernährung aufzuklären. Auch die Prävention von sexuellem Missbrauch und das Stärken des Selbstbewusstseins der Kinder spielt eine wichtige Rolle. Mit verschiedenen Aktivitäten versuchen wir ihnen beispielsweise deutlich zu machen, dass ihre Körper ganz alleine ihnen gehören und sie das Recht dazu haben „Nein“ zu sagen, wenn sie nicht angefasst werden wollen oder sich unwohl fühlen.

Arbeitsalltag
Seit Beginn der Pandemie hat Calpulli verschiedene Hygienemaßnahmen getroffen, sodass wir bei den Kindern, wenn sie morgens um 9 Uhr bei Calpulli ankommen, erst einmal die Körpertemperatur messen, deren gesamten Körper mit Desinfektionsspray einsprühen und anschließend gemeinsam Hände waschen. Da das Wasser gerade in dieser Region sehr knapp ist und die Versorgung in Lomas de San Jacinto mit Strom und Wasser im Allgemeinen sehr mangelhaft ist, helfe ich den Kindern dabei und schaue, dass sie nicht unnötig Wasser verschwenden.

In den Morgen wird dann erstmal mit Liedersingen, Tanzen und Bewegung gestartet. Manchmal gehen wir auch mit den Kindern in die Bibliothek, wo Miguel ihnen eine Geschichte vorliest und anschließend gespielt werden darf. Um 10:30 Uhr bekommen die Kinder ein Frühstück von Calpulli bereitgestellt, für welches die Eltern wöchentlich vier Pesos zahlen, was umgerechnet ca. 17 Cent entspricht und was der einzige Beitrag ist, welchen die Eltern für die Betreuung in der nichtstaatlichen Institution aufbringen müssen. Jeden Morgen schnippeln unsere beiden Köchinnen Obst und Gemüse und zaubern den Kindern ein gesundes und nutritives Frühstück, um unter anderem auch der Fehl- und Mangelernährung aus der Umgebung entgegenzuwirken. Noelia und ich, welche den Tercer Nivel leiten, versuchen jeden Tag auf spielerische Art und Weise, den Kindern Neue Dinge beizubringen. Mit unserer Gruppe bemalen wir zum Beispiel T-Shirts, basteln Kronen für den Día de los Reyes Magos oder erstellen Figuren mit geometrischen Formen. Durch das Zählen von Gegenständen und das Schreiben ihrer Namen, versuchen wir zudem ein erstes Rechen- und Leseverständnis aufzubauen. Das tägliche basteln und malen hilft den Kindern sowohl dabei gewisse koordinative Fähigkeiten zu erlernen (z.B. ausschneiden), als auch deren Kreativität zu stärken und ihren Fantasien freien Lauf zu lassen.

Zu Beginn fiel mir die Arbeit mit den Kindern etwas schwer. Da war zum einen das Sprachproblem: häufig habe ich die Kinder nicht verstanden, weil sie meines Erachtens sehr schnell und leise gesprochen haben und einige Kinder sowieso noch Probleme haben die Wörter richtig auszusprechen. Mit der Zeit verschwindet diese Barriere jedoch immer mehr und jetzt ist es auch kein Problem mehr für mich mal alleine mit der Vorschulgruppe zu sein und zum Beispiel die „Bienvenida“ mit ihnen zu machen.

Zum anderen gab es aber noch eine andere, für mich schwieriger zu bewältigende Hürde bei der Arbeit. Das Thema Gewalt und allgemeine Lebensumstände. Ich war geschockt als bereits am zweiten Tag ein vierjähriges Mädchen zu mir kam und mir weinend berichtete, dass ihre Mutter sie am Morgen geschlagen hatte. Ich wusste nicht wie ich reagieren oder ihr helfen sollte und habe mich dann an meine Arbeitskollegin gewandt, die mir erzählte, dass es hier ganz normal sei, dass die Kinder geschlagen und leider häufig mit wenig Respekt behandelt werden. Bereits in der Vergangenheit hat sich das Calpulli Team sehr darum bemüht, die Eltern der Kinder hinsichtlich des Themas Häuslicher Gewalt zu sensibilisieren, doch leider sind diese Strukturen und Verhaltensweisen oft fest internalisiert und schwer von außen zu beeinflussen, so dass diverse Gespräche mit den Erziehungspersonen der Kinder nicht oder nur kaum zur einer Besserung der Situation geführt haben. Relativ schnell habe ich bemerkt, dass der Vorfall mit dem Mädchen leider kein Einzelfall war.

Auch die Tatsache, dass die Versorgung in Lomas de San Jacinto mit Strom und Wasser sowie die Infrastruktur im Allgemeinen sehr mangelhaft ist und einige Kinder in anliegenden nichtisolierten Blechhütten ohne Internet, geschweige denn warmes Wasser leben, hat mich am Anfang sehr getroffen. Auch das Problem der Fehl- und Mangelernährung, sowie der eingeschränkte Zugang zu medizinischer Hilfe ist mir bei den Kindern, durch Untergewicht oder mit Karies befallenen Zähnen ziemlich schnell aufgefallen.

Inzwischen fange ich an, meine eigenen Privilegien immer mehr zu reflektieren und die Arbeit Calpullis immer mehr zu schätzen, weil ich merke wie wichtig es ist den Kindern diesen geborgenen Raum zu geben wo sie lernen aber auch einfach Spaß und in gewisser Weise eine Ablenkung von diverses Problematiken mit denen sie im Alltag konfrontiert werden, haben können.

Ich liebe die Arbeit mit den Kindern und habe das Gefühl selber so viel von ihnen lernen zu können- sowohl sprachlich, als auch auf zwischenmenschlicher Ebene. Ich habe die Kinder jetzt schon unglaublich fest in mein Herz geschlossen und ich freue mich jeden Tag aufs Neue, sie zu sehen und mit ihnen neue Erfahrungen zu sammeln.

Neben der Vorschule engagiere ich mich auch noch bei CONNAD. Jeden Montag treffen wi
uns, um zum Beispiel Workshops von Journalist*innen oder anderen Menschenrechtsorganisationen zu nehmen, um uns so zur Thematik Kinder- und Menschenrechte immer weiterzubilden. Momentan arbeiten wir an einem Radioprogramm, mit dem wir den Teilnehmer*innen des CONNAD-Teams eine Stimme geben und einen Raum schaffen wollen, wo sie ihre Meinung aber auch Inhalte aus den verschiedenen Workshops verbreiten und kundtun können. CONNAD ist außerdem auch Teil von REDIM (Red por los Derechos de la Infancia en México), einem Netzwerk, bestehend aus verschiedenen Kinderrechtsorganisationen und Komitees aus ganz Mexiko, welches in Form verschiedener Aktionen für die Anerkennung und Einhaltung der Kinderrechte auf nationaler Ebene kämpft.

Einmal in der Woche führen wir mit REDIM ein Zoom Meeting durch, um verschiedenste
Projekte zu planen. Die Präsidentin unseres CONNAD Komitees wurde auch schon auf eine nationale Konferenz in Mexiko-Stadt eingeladen, um dort über verschiedenste Themen, wie Migration, Kinderarbeit oder militärische Rekrutierung von Kindern zu sprechen. im November, zum Tag, an dem die UN- Kinderrechtskonvention vor 32 Jahren unterzeichnet wurde, haben wir zudem einen Audiospot zu dieser Thematik aufgenommen und ihn in verschiedenen sozialen Netzwerken veröffentlicht.

Die Arbeit mit den Jugendlichen hat mich bis jetzt schon unfassbar geprägt und ich finde es sehr bewundernswert, dass sie in diesem jungen Alter (15-17) schon so viel Ahnung im Bereich Menschenrechte haben und wirklich für diese Art Arbeit brennen. Ich denke, dass CONNAD sehr viel Potenzial hat und wir mit unseren Projekten zur Aufklärungsarbeit in der Region beitragen können. Ich merke, wie ich mich immer mehr für Menschenrechtsarbeit interessiere und hoffe, dass ich noch sehr viel von und mit CONNAD dazulernen kann.

Sprache
Bevor ich nach Mexiko gekommen bin, hatte ich bereits fünf Jahre Spanischunterricht in der Schule und dieses Fach auch mündlich in meinem Abitur. Daher war ich auch überzeugt, dass ich schon sehr gut spanisch kann und es hier kein großes Problem sein sollte klarzukommen. Und doch war der Anfang echt schwierig und mühsam.

Es war anstrengend den ganzen Tag spanisch zu hören und zu sprechen und ich habe insbesondere in den ersten Wochen gemerkt, wie stark mich das Sprechen dieser Sprache eigentlich erschöpft. Viele Dinge haben andere Bezeichnungen, als die die ich im Spanischunterricht gelernt habe. Unter anderem gibt es hier kein „vosotr@s“ und auf dem Gemüsemarkt war ich erstmal ziemlich aufgeschmissen, weil die Leute hier beispielsweise keine „patatas“ kennen, so wie ich es in der Schule gelernt habe. (Hier sagt man „papas“ zu
Kartoffeln). Außerdem sind die Mexikaner*innen sehr gut darin im doble sentido, also sehr zweideutig zu sprechen und alles wird im Diminutivo mit -ito oder -ita verniedlicht. Zusätzlich wird einfach immer der Ausdruck „ahorita“ benutzt, egal ob du jetzt, gleich, später oder nie ausdrücken willst.

Das sind Dinge, an die man sich erst einmal gewöhnen muss und die einen manchmal echt verwirren können. Ich selber finde es auch häufig frustrierend, dass ich mich nicht so ausdrücken kann, wie ich gerne wollte oder mein Gegenüber mich nicht versteht. Das kann sehr anstrengend sein und gerade weil Viele hier kein englisch sprechen können, bringt das Ausweichen auf eine andere Sprache auch nicht viel.

Rückblickend finde ich es jedoch erstaunlich, wie viel ich in dieser kurzen Zeit schon dazu gelernt habe und jetzt auch typisch mexikanische Redewendungen verstehen kann. Allgemein stelle ich fest, dass ich von Tag zu Tag mehr verstehe und viel flüssiger und insbesondere intuitiver sprechen kann. Den ganzen Tag Spanisch um mich herum zu haben ist bei Weitem nicht mehr so anstrengend für mich wie zu Beginn und sowohl bei der Arbeit als auch im Alltag kann ich mich immer mehr und besser ausdrücken und am Ende klappt es
doch immer sich irgendwie zu verständigen.

Alltag, Freizeit und Freund*innen
Auch wenn am Anfang alles noch so neu und chaotisch schien und ich mich echt gefragt habe, wie ich mich hier jemals alleine zurechtfinden solle, ging es dann doch relativ schnell mit dem Eingewöhnen und eine Art Routine zu erlangen. Mittlerweile ist es kein Problem für mich die zwei Busse morgens zur Arbeit zu nehmen, auch wenn das ganze Bussystem mir zunächst sehr unorganisiert erschien. Es gibt weder Fahrpläne, noch ist es als Nicht-Einwohnerin Oaxacas nahezu unmöglich Bushaltestellen auch als solche zu identifizieren, da die Busse oft an beliebigen Straßenecken ohne jegliche Markierung halten. Zum Glück hat uns unsere „Gastmutter“ bereits in der ersten Woche gezeigt, wie und wo wir welche Busse
nehmen können und auch direkt mal eine Probefahrt mit uns gemacht. Jetzt bin ich es schon gewöhnt mit dem 8 Pesos günstigen Bus (umgerechnet entspricht das ca. 34 Cent) durch die Gegend zu pendeln und bin etwas erstaunt darüber, wie gut das Bussystem doch funktioniert, obwohl es zunächst alles andere als organisiert erscheint.

Meine Freizeit verbringe ich mit Freund*innen treffen, Ausflüge machen und Sporttreiben. Zu Beginn hat sich mein Freundeskreis noch sehr auf die Freiwilligengruppe des Welthauses beschränkt. Wir treffen uns fast jedes Wochenende und genießen die Abende auf der Dachterrasse der WG, in der drei weitere Freiwillige leben und von der man einen wunderschönen Ausblick über die gesamte Stadt hat. Durch die Tochter unserer „Gastmutter“, welche in Mexiko-Stadt lebt, uns aber für fast drei Wochen in unserem ersten Monat hier in Oaxaca besucht hat, haben meine Mitbewohnerin und ich auch sehr schnell mexikanische Bekanntschaften gemacht. Mit ihren Freund*innen sind wir mittlerweile schon richtig gut befreundet und verbringen gerne mal die freien Nachmittage oder Wochenenden zusammen.

An meinen arbeitsfreien Tagen versuche ich immer viel von Oaxaca und der Umgebung zu sehen. Gemeinsam mit den anderen Freiwilligen war ich bereits beim Hierve el Agua- den „versteinerten“ Wasserfällen und dem Monte Albán- einer Ruinenstätte in den Bergen, der damaligen zapotekischen Hauptstadt. Auch hatte ich schon die Gelegenheit verschiedene Pueblos (Dörfer) von Oaxaca zu sehen: In Teotitlán wurde ich einmal auf eine traditionelle Taufe eingeladen, ein anderes Mal lud uns eine Zapotekin zu sich nach Hause ein um uns zu zeigen, wie sie selber „Tapetes“ (Teppiche) herstellt.

Auch hatte ich schon die Gelegenheit In Tule den bekannten „Árbol de Tule“ zu besichtigen und mit meinem Arbeitsteam die Wasserfälle Apoalas, welche wirklich traumhaft schön sind, zu sehen. Mit Felipe und Diana, zwei meiner Arbeitskolleg*innen, habe ich in Mitla neben den Ruinen ehemaliger Zapotekenpaläste gepicknickt und anschließend den Mercado de Tlacolula besichtigt. Der Markt mit dem knalligen frischen Obst und Gemüse und den indigenen Frauen, die ihre selbsthergestellten Kunsthandwerke dort verkaufen, hat mich sofort in seinen Bann gezogen. Oaxaca hat einfach unfassbar viel zu bieten- sei es die Natur oder
Kultur. Landschaftlich gesehen ist es mit seinen teils unberührten Stränden, den grünen artenreichen Wäldern und den Sierras (=Gebirgen) einfach unglaublich schön und divers.

Zudem hat Oaxaca, als der mexikanische Staat mit dem größten Anteil an indigener Bevölkerung, auch traditionell und kulturell gesehen ein total großes Angebot- es gibt verschiedene indigene Pueblos und jeder dieser Pueblos hat seine eigenen Trajes (Kleidung), Bailes (Tänze) und auch teilweise eigene Sprachen. Die verschiedenen Traditionen finde ich unglaublich interessant und die Tänze gefallen mir sogar so gut, dass ich mich dazu entschieden habe hier vor Ort in eine Tanzschule zu gehen. Dreimal in der Woche nehme ich jetzt Tanzstunden und lerne Cumbia, Salsa und Bachata, welche mit zu den bekanntesten Tänzen hier aus der Region zählen. Ich denke es ist wichtig sich ein Hobby zu suchen, da es neben den manchmal stressigen
Arbeitstagen einen guten Ausgleich schafft und man auch wieder neue andere Leute kennenlernt. Beim Tanzen finde ich es besonders schön, dass man neben dem Bewegungsaspekt zusätzlich auch etwas von der Kultur lernt und man bei jeglichen Feiern, sei es ein Geburtstag oder eine traditionelle Taufe, zumindest einigermaßen mittanzen kann.

Meine zweiwöchigen Weihnachtsferien habe ich mit Greta (meiner Mitfreiwilligen) im Süden von Mexiko verbracht und hatte die Möglichkeit durch Yucatán und Quintana Roo zu reisen. Die Stadt Mérida, die Pyramide von Chichén Itzá, welche auch eines der sieben modernen Weltwunder ist, traumhafte Zenoten, die Städte Playa del Carmen und Cancún waren einige der Orte, die wir in diesem Urlaub gesehen haben. Für mich war es das erste Mal an der Karibikküste und ich muss sagen, dass ich es dort wirklich sehr genossen habe und ich froh darüber bin auch einen ganz anderen Teil von Mexiko kennengelernt zu haben, welcher sehr stark von der Maya Kultur beeinflusst wurde und daher einen großen traditionellen Reichtum besitzt, aber eben auch mit seinen paradiesischen Stränden und dem knalltürkisen Wasser eine unglaublich harmonische Atmosphäre schafft.

Nun ja, ich bin gespannt was die nächsten siebeneinhalb Monate noch so bringen. Ich denke
auf jeden Fall, dass es genau die richtige Entscheidung gewesen ist hierhin zu kommen und
bin froh, dass ich noch so viel Zeit vor mir habe.

Fyler-weltwärts

 

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