„Zwischen den Welten“

Hierzu organisiert die Bürgerstiftung am Dienstag, den 26. März um 18:30 Uhr auf Burg Frankenburg im Frankenberger Viertel eine Lesung und eine Kunstausstellung, in der Schüler und Schülerinnen mit Migrationserfahrung ein Buch mit ihren persönlichen Gedanken und Geschichten gestaltet haben. Die Texte stammen überwiegend von jungen Migranten, die das Anne-Frank-Gymnasium in Aachen besuchen. Die passenden künstlerischen Kreationen wurden auch von deutschen Schülern und Schülerinnen unter der Leitung von der Kunstpädagogin Gesine Müllen gestaltet.


Wo fühlen sich Jugendliche zuhause, nachdem sie gezwungenermaßen ihr Land verlassen mussten? Wir, die hier geboren wurden und aufgewachsen sind, gehen relativ unbedarft mit unseren Jugendlichen mit Migrationshintergrund um. Es ist für uns selbstverständlich, dass sie genauso funktionieren sollen wie deutsche Jugendliche, dass sie deutsche Denkweisen übernehmen, und dass sie ihre Traditionen möglichst rasch ablegen, um sich deutschen Sitten und Gebräuchen anzupassen.
Aber so einfach ist das nicht. Wenn man mit Traditionen, Erziehungsweisen und bestimmten Ritualen groß wird, kann man diese nicht von heute auf morgen abschütteln. Wie wäre es denn, wenn wir unser Land mit zwei bis drei Koffern, in denen sich unser gesamtes Hab und Gut befände, verlassen müssten, um in einem arabischen Land eine neue Heimat zu finden. Würden wir unseren Kleidungsstil ändern? Wären arabische Gerichte auf dem Speiseplan? Was würden unsere Mädchen sagen, wenn sie abends nicht mehr alleine das Haus verlassen dürften? Wie würden sich Jugendliche und deren Eltern fühlen, wenn sie die Sprachkurse in arabischer Sprache absolvieren müssten? Wie würden sie das alltägliche Leben meistern, wenn sie der Sprache nicht mächtig wären? Wie sollte der Unterrichtsstoff bewältigt werden, wenn man nichts verstünde? Würde man sich nicht binnen kürzester Zeit auf die Heimat besinnen, sich an die klammern, deren Sprache man versteht, um ein wenig Sicherheit zu spüren. Diese Sicherheit könnte zunächst nur von Familienmitgliedern, von den ursprünglichen Sitten und Gebräuchen gewährleistet werden.
In der Schule treffen dann verschiedene Welten aufeinander. Deutsche Mädchen dürfen sich auch in der Schule ziemlich freizügig kleiden, sie nehmen selbstverständlich am Schwimmunterricht teil, sie treffen sich nach der Schule mit Freunden und Freundinnen. Viele muslimische Mädchen haben praktisch nur die Schule, wo sie Freiräume haben. Muslimische Jungen haben da weitaus größere Freiheiten, aber darüber beklagen sich die Mädchen nicht. Es ist wie es ist. Gegen diese Einschränkungen darf eben nicht verstoßen werden, wenn sie nicht ihren guten Ruf verlieren wollen.
In der Literaturkurs-AG des Anne-Frank-Gymnasiums wurden einige dieser Themen aufgegriffen.
Fast alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen haben Migrationshintergrund, aber auch Fluchterfahrung. Reza war leider nur ein Jahr am Anne-Frank-Gymnasium. Er stammt aus Afghanistan, musste fliehen. Im Alter von 16 Jahren steuerte er ein Flüchtlingsboot von der Türkei nach Griechenland. 50 Menschen brachte er sicher an Land.
Mohammad aus Syrien musste im Alter von 15 Jahren ohne seinen Vater mit der Mutter und den Geschwistern nach Deutschland fliehen. Er wünscht sich nichts sehnlicher, als seinen Vater wiederzusehen. Inzwischen ist auch sein Vater in Aachen angekommen. Mohammad ist überglücklich.
Riema war in den Herbstferien 2016 zum ersten Mal im Irak, um ihre Großeltern in die Arme zu schließen, die sie noch nie zuvor gesehen hatte.
Es gibt viele sehr emotionale Geschichten zu erzählen. Unter der Leitung von der Künstlerin Gesine Müllen findet eine Kunstausstellung mit Werken von Anne-Frank-Schülern und Schülerinnen zu den Geschichten statt.
Text: Ruth Rebière

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